Der Club der hysterischen Frauen - Cover

Der Club der hysterischen Frauen

Klappentext

Mal mit Galgenhumor, mal anklagend erzählt Sarah Ramey von ihrer Suche nach einer Diagnose und entwirft dabei zugleich ein medizinisch-feministisches Manifest: Was hat unsere Gesundheit mit Geschlechterrollen zu tun?

Als Sarah Ramey an einem schönen Sommertag in den See springt, ahnt sie nicht, dass dies der Anfang vom Ende ist. Eine scheinbar harmlose Harnwegsinfektion, eine verpfuschte Operation und fast zwanzig Jahre mit chronischen Schmerzen später sucht sie noch immer nach einer Diagnose. Von Ärzten hört sie immer wieder nur: »Haben Sie es schon mit Antidepressiva probiert?« Doch sie ist nicht allein. Es scheint geradezu einen geheimen Club von Frauen mit mysteriösen Krankheiten zu geben. Krankheiten, die von der männlich dominierten Medizin als Hysterie abgestempelt und nicht angemessen behandelt werden: Fibromyalgie, Chronisches Fatigue-Syndrom, Lupus oder MS.

  • Autorin: Sara Ramey 
  • Verlag: btb Verlag (15. Januar 2025)
  • ISBN:  978-3442770236*
  • Preis: 18,- Euro

Bewertung

Bewertung: 5 von 5.

Es beginnt, wie viele Geschichten beginnen, die am Ende niemand glauben will: mit einem diffusen Symptom, einer unbehandelten Infektion, einem Gefühl, dass „etwas nicht stimmt“. Sarah Ramey schreibt in „Der Club der hysterischen Frauen“ über ihren eigenen Körper – und gleichzeitig über ein System, das Frauen mit unklaren Beschwerden systematisch überhört. Nicht böswillig, nicht immer. Aber hartnäckig. Strukturell.

Sie ist jung, gesund, lebt ein Leben mit Musik und Ambitionen – und wird nach einem vermeintlich harmlosen Eingriff in eine körperliche und psychische Abwärtsspirale katapultiert. Fortan ist sie Patientin. Oder besser gesagt: eine, die sich von dieser Rolle nicht mehr befreien kann, weil niemand sie wirklich ernst nimmt. Ärzte zucken die Schultern, Therapeutinnen deuten um, und irgendwann steht da dieses Wort, das eigentlich längst aus der Medizin verschwunden sein sollte: Hysterie.

Der Club der hysterischen Frauen

Ramey erzählt das mit Ironie, mit Trotz, mit Erschöpfung. Es ist keine Heldinnengeschichte im klassischen Sinne. Sie „besiegt“ nichts, sie „heilt“ sich nicht selbst. Aber sie schreibt sich frei – und dabei sehr viel klarer, reflektierter und unterhaltsamer, als es das Thema zunächst vermuten lässt. Zwischen den Kapiteln tauchen Porträts anderer Frauen auf, die sie „WOMIs“ nennt – women with mysterious illnesses. Es sind Geschichten, die sich ähneln: Chronische Schmerzen. Fatigue. Reizdarm. Depression. Kaum Laborwerte, keine Ursache. Viel Schweigen.

Was Ramey gelingt, ist die Verbindung von persönlicher Erfahrung mit einer gesellschaftlichen Anklage. Das Buch ist auch eine Abrechnung mit einer biomedizinischen Sicht auf den Körper, die das Weibliche als Abweichung betrachtet – als „zu komplex“, „zu emotional“, „zu empfindlich“. Es ist eine kluge Diagnose eines strukturellen Problems, das sich durch viele Wartezimmer zieht: dass der Körper der Frau erst gehört wird, wenn er unfruchtbar, schwanger oder tot ist.

Natürlich gibt es Stellen, an denen man sich mehr Distanz wünscht, weniger spirituelle Deutungen, mehr Einordnung. Aber darum geht es Ramey nicht. Sie ist keine Wissenschaftlerin. Sie ist Betroffene – und sie beherrscht die Form des dokumentarischen Selbstgesprächs mit Wucht und Witz. Ihre Stärke ist nicht die Lösung, sondern die Sichtbarmachung.

Mein Fazit

Was bei mir bleibt, ist weniger die Geschichte einer Einzelnen als das Gefühl einer kollektiven Erfahrung, die lange keinen Namen hatte. Das Buch hat mich nicht nur informiert, sondern sensibilisiert – für all die feinen, oft überhörten Momente, in denen „nicht ernst genommen werden“ nicht nur ein Gefühl ist, sondern ein System. Und auch wenn ich selbst nicht direkt betroffen bin, hat sich beim Lesen etwas verschoben. Ein leiseres, aufmerksameres Hinsehen.


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Mal mit Galgenhumor, mal anklagend erzählt Sarah Ramey von ihrer Suche nach einer Diagnose und entwirft dabei zugleich ein medizinisch-feministisches Manifest: Was hat unsere Gesundheit mit Geschlechterrollen zu tun?

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